is-sigra tal harrub

verweilen
im schatten
des karubenbaums

und warten
auf den moment

in dem sand / salz / gischt
glühen / zünden / bersten

und ihre moleküle
buttergelb und tintenblau
willst sie spüren

einsinken
in deine haut
deine knochen
deine lunge

aber das meer der toten singt nicht mehr
und der oleander schweigt / gottlos

also einatmen / ausharren
in sommergetränkter luft

und weiter warten
auf den augenblick
in dem du dich erinnerst

wer du bist und
wo du hingehörst

bevor dein blut
zu staub zerfällt

silbenimslide 12/2024 - visuelle Interpretation durch Esther Ramseier (heimatlos?)

paarhufer

milchkühe vor der aussteuerung
halbtrocken stehen sie im vergilbten gras
ahnen die kälber die sich gestern
noch säugend schmiegten
bald fort

wolkenverhangene milch versiegt schleichend
mit dem wandernden blick der stiere
verstohlen ausgerichtet
auf neue weiden
erst hellgrün
im schoss

milchkühe beinahe ausgemolken
käuen dennoch blind wieder
die versprechen von einst
inzwischen vergährt
allesamt

silbenimslide 12/2024

wieder

stehst daneben / wieder
unbekannte pflastersteine
uneben aneinandergereiht
weisen den weg

zu einer unterkunft
noch: kein daheim

sekret sichtbar spannt
unter deiner haut
schrammen jucken
darauf abgestreift
zu werden

also windest du dich
reibst spröde hülle
an der rauheit
der fremde wund

unter dem schorf:
schimmernde membrane

empfindsam
noch

und mit dem aufschlag
deiner lider erfindest
du deine welt neu

schaffst raum
aus der leere in dir
und wirst wieder
weisses blatt papier

silbenimslide 12/2024 - visuelle Interpretation durch Esther Ramseier (heimatlos?)

hörst du den frost flüstern?

noch stehen sie in blüte
die unbeschwerten tage
im schatten der steineichen

noch zieht die zeit
im zauber an dir
und mir vorbei

aber hinter dem horizont
braut der heimliche herbst
ein zwielichtiges versprechen

wird goldene tage versichern
nur um spärliches licht
einzulösen

hörst du das rauschen des windes
der über die blassgelben
blätter streicht?

gezählt sind unsere
tage im schutz der
sommerbäume

silbenimslide 12/2024

der unliebe gott

der unliebe gott packt dich
unsanft im genick presst
dein gesicht in staub und stein

sieh die zeichen an der wand
sieh hin zurück rundherum
vorbei am modernden balken
in deinem rechten auge verbohrt

und du siehst sie im blut
das dir aus der nase birst
laut-leise zu boden rieselnd

und du hörst sie in der
vibration der sekunden
pochend in deinem ohr

und du riechst sie
in der stunde 0
wie sie anbricht
jetzt

silbenimslide 12/2024

nimm keine gefangenen

auf befreiten lippen blüht sünde
blutrot / furchtlos / und kühn

gib nicht nach
lenk nicht ein
nimm was dir gehört

silbenimslide 12/2024